Durchblättern, lesen, anfassen!

Durchblättern, lesen, anfassen!

Fotos: T. Bachler

Zum zehnten Mal wurde dieses Jahr der international beachtete Preis für den besten Fotobuch-Dummy ausgelobt. Unten den 391 Einsendungen aus 46 Ländern wurden drei Buchideen prämiert und fünfzig weitere für eine Wanderausstellung ausgewählt.

Die Veranstalter, das Fotobuchfestival Kassel, lassen diese Buchdummys  als „Ausstellung zum Anfassen“ zwölf Monate um die Welt wandern. Zum ersten Mal wird dieses Jahr auch Dresden eine der Stationen sein. Bis zum 30. 11. sind die Fotobücher noch in der Zentrale der Stadtbibliothek (Kulturpalast) zu sehen, die dort natürlich durchgeblättert, gelesen und angeschaut werden können.

 

Man braucht Zeit, um sich einen Überblick zu verschaffen. Die Vielfalt der Themen, die unterschiedlichen Layouts und Lesarten der Bücher sind spannend und intensiv. Schnell wird klar, dass die Kombination von Buch und Foto nie seine Aktualität verloren hat. Gegenüber Instagram und Co. hat das Fotobuch einen entscheidenden Vorteil: Es liefert, wenn es denn gut entworfen ist, nicht nur eine bloße Sammlung von Fotografien, sondern erhebt die Bilder in eine neue Form, in eine Art von Geschichte, ganz ähnlich einer Erzählung. Der haptische Moment beim Durchblättern tut sein Übriges, um sich in die jeweilige Fotoarbeit schnell hineinzuversetzen und die Bilder, die Bildgeschichten, auf sich wirken zu lassen.

 

Filippo Romano, »Water Tanks in Mathare Slum« (3. Preis, Dummy Award 2018)

Es ist an dieser Stelle einfach nicht möglich, auf alle Fotobücher einzugehen. Doch »Smoke« von Theo Elias ist beispielsweise ein ganz wunderbares Buch. In körnigen schwarz-weiss Fotos und in flüchtiger reportagehafter Manier aufgenommen, erzählt Elias von seinem Leben und der Tatsache, dass er einfach nur deshalb mit dem Fotografieren angefangen hat, weil er über kein sonderlich gutes Gedächtnis verfügt. »Nothing Happened« von Celine Croze liefert eine traumähnliche Bildreise durch nicht näher benannte Insel in Mexiko, die sie mit Filmstills des Streifens »Intentions of a Murder« verschränkt hat. Wie entrückt, fast unwirklich erscheinen die Bilder, die Geschichte an sich bleibt nebulös und doch, oder vielleicht gerade deshalb, schaut man das Buch gerne an. Eine der Preisträger, Michael Danner, hat sich mit seinem Buch dem Thema Flucht und Migration verschrieben. »Migration as Avantgarde« heißt die Arbeit, in der fast collagenhaft Szene von den europäischen Grenzen, aus Flüchtlingslagern etc. zusammengefügt werden. Er kombiniert diese farbigen Fotografien mit schwarz-weißen Archivaufnahmen, um zu zeigen, dass sein gewähltes Thema schon immer brisant war.

aus: Michael Danner, »Migration as Avantgarde«

 

Der Macher des Dummy Awards, Dieter Neubert, wird am 13. November um 19.30 Uhr in der Bibliothek präsent sein, um die Idee, die Geschichte und ausgewählte Bücher dieses so ungewöhnlichen wie interessanten Fotopreises vorzustellen.

Thomas Bachler

Thomas Bachler (*1961) studierte an der Kunstakademie Kassel, gründete 1987 den “Selbstverlag” für Fotografie und Kunst und nahm ab 1990 Lehraufträge in Fotografie, Kunst und Gestaltung für das Goethe – Institut, die Fachhochschule für Gestaltung in Würzburg, die HbK Braunschweig und die HfBK Dresden wahr. 2000 bis 2002 hatte er eine Gastprofessur an der HbK Kassel inne. Vorträge und Workshops führten ihn u.a. nach Spanien, Liechtenstein und Australien. Er ist Autor der Bücher »Im Atelier«, »Im Kasten«, »Bildstelle« und »Aus der Dunkelkammer«, die sämtlich bei bautzner69/publish&print erschienen.